Von Leuchttürmen und der Romantik
Entwaffnend und treffend beschrieben bringt Kindermund das Charakteristische auf den Punkt: „Mutti, Mutti, schau mal der Turm da hat Ringelsöckchen an,“ verkündete eine kleine Landratte, als sie offenbar zum ersten Mal einen Leuchtturm sah.
Interessant an den Türmen ist, dass alle diese Ringelsöckchen verschieden sind, was kein Zeichen von chaotischer Unordnung ist, sondern sehr gewollt. So kann der Navigator an Bord nämlich auch am Tage ganz einfach und zuverlässig bestimmen, um welchen Leuchtturm es sich handelt.
Deshalb gibt es an der ganzen Elbe und Nordseeküste keine zwei gleich aussehenden Leuchttürme. Zwar gibt es baugleiche Modelle, die sind dann aber verschieden angestrichen. Erst an der Ostsee werden sie wieder Leuchttürme finden, die denen an der Nordseeküste zum Verwechseln ähneln.
Wenn sie denn einmal leuchten und es dunkel genug ist, um ihr Licht auch zu sehen, kann man sie an ihrer Kennung unterscheiden, wie der Navigator es nennt. Diese Kennung beschreibt die Taktung des Leuchtfeuers, also in welchem Rhythmus es an und ausgeht, wie lange dieser Takt dauert und wie oft er sich wiederholt pro Minute.
Die Kennung ist genau wie das Aussehen in den Seehandbüchern und Leuchtfeuerverzeichnissen aufgelistet, sodass auch hier kein Zweifel aufkommen kann, um welchen Turm es sich handelt.
Gebaut wurden Leuchttürme dort, wo es keine unverwechselbaren Küstenformationen und Landmarken gibt, oder sie wurden auf ein Schiff gesetzt, das dann auf See verankert wurde, dort, wo die Ansteuerung in die großen Flüsse hinein begann, dann heißen Sie Feuerschiff und sind knallrot angestrichen.
Bereits mit dem Aufblühen der Hanse und der damit verbundenen Zunahme des Schiffsverkehrs zeigte sich die Notwendigkeit Küstenabschnitte zu markieren um auch fremden Kapitänen das Erkennen und die sichere Hafenzufahrt zu ermöglichen. Bereits 1286 wurde der Leuchtturm von Neuwerk, der anfangs auch als Wehrturm diente erbaut. Damit dürfte er eines der ältesten Leuchtfeuer an der Deutschen Bucht sein.
Die Seeschifffahrt der Hansestädte nahm rasant zu, sichere Hafenzufahrten wurden immer wichtiger und die Zahl der Leuchttürme wuchs. Immer neue Schifffahrtslinien wurden befahren und der Wunsch nach einer Markierung der Routen wurde laut.
So wurde im beginnenden 19. Jahrhundert wurde in einer großen Bauwelle die gesamte deutsche Küste und die Flussmündungen mit Leuchttürmen versehen. Den Anfang machte 1804 der Bau des Cuxhavener Leuchtturms.
Heute stehen allein zwischen Cuxhaven und Hamburg 52 Leuchttürme – und sie sind alle verschieden. Aber nicht nur Leuchttürme weisen den Schiffen den Weg Schiffsverkehr auf der Elbe leiten, es gibt noch andere Seezeichen, fest in den Boden gerammte feste Zeichen wie Baken, die einem Lattengerüst mit einem auffälligen Topzeichen ähneln, Dalben, die dicke Pfähle sind, Stangen mit einem Reisigbesen darauf und Pricken, die wie kleine Bäumchen aussehen. Sie stellten die simpelste Methode der Markierung an Land und in flachen Gewässerteilen sowie Nebenflüssen dar.
Wichtig für den Schiffsverkehr auf der Elbe ist vor allem die exakte Markierung der ausgebaggerten Fahrrinne, damit tiefgehende Schiffe nicht auf den zahllosen flachen Sänden stranden. Dazu werden schwimmende Seezeichen verwendet, die Tonnen, die jeweils genau am Rand des Fahrwassers verankert sind. Von See kommend findet man auf der rechten, der Steuerbordseite grüne Tonnen und auf der Backbordseite links rote Tonnen. Damit man sich nicht vertut bei der Orientierung sind diese Tonnen nummeriert, grüne Tonnen tragen ungerade fortlaufende Zahlen, rote hingegen gerade Zahlen.
Obwohl es längst moderne Elektronik wie Radar, elektronische Seekarten und Satellitennavigation in der Seefahrt Einzug gehalten haben, und zumindest der Satellitennavigator auch in der Sportschifffahrt längst Standard ist gibt es immer noch Leuchttürme. Elektronik muss nämlich nicht jeder an Bord haben und vor allem: sie kann ausfallen. Leuchttürme hingegen versehen ihren Dienst in unerschütterlicher Gleichmut, sie sind immer da und mit bloßem Auge sichtbar.
Generell werden Leuchttürme in Leitfeuer, Richtfeuer, Quermarkenfeuer und Seefeuer unterschieden. Leitfeuer haben je einen roten, weißen und grünen Lichtsektor. Die Steuerleute der Schiffe legen ihren Kurs auf den mittleren weißen Sektor, den sie wie einen Leitstrahl nutzen. Geraten sie in den roten Sektor, steuern sie zu weit nach backbord (links), sehen sie grünes Licht, sind sie nach steuerbord (rechts) abgewichen.
Eine ähnliche Funktion haben Leuchttürme, die ein wenig wie Pat und Patachon im Doppel dastehen. Einer ist hoch und dünn, der andere kurz und gedrungen. Der große Leuchtturm wird Oberfeuer genannt, der kleine Unterfeuer. Sie bilden zusammen ein Richtfeuer und der Steuermann folgt so lange dem richtigen Kurs, wie er die beiden Feuer genau übereinander sieht. Das System von Richtfeuern und Leitfeuern ist so ausgeklügelt, dass ein Steuermann wie ein Flugzeug auf einem Leitstrahl seinen Weg auf der Elbe mühelos findet.
Ein Quermarkenfeuer hingegen, das rotes, weißes und grünes Licht aussendet, bezeichnet eine notwendige Kursänderung, zum Beispiel bei einer Flussbiegung. Sieht der Steuermann weißes Licht, muss er eine Kursänderung vornehmen. Seefeuer hingegen sind nur eine Markierung, meist beginnt bei ihnen eine Flussansteuerung.
Obwohl Leuchttürme also eigentlich technische Bauwerke sind, haftet ihnen doch ein gehöriges Maß an Romantik an. Und: Kein Zweifel Leuchttürme sind in. Unerschütterlich zuverlässig stehen sie da als Geborgenheit und die Sicherheit verheißendes Licht in der Dunkelheit, geben Orientierung, zeigen den Weg auch in schwierigen Fahrwassern.
Sie erzählen Geschichten von einsamen, naturverbundenen Leuchtturmwärtern, von Seefahrt und Fernweh, von fernen Ländern, aber auch vom sicheren Heimkommen und der immer gleiche Takt ihres Lichtes beruhigt. Und eigentlich wünscht sich jeder insgeheim, einmal auf solch einem Turm zu übernachten. Bitteschön, auf Neuwerk ist das möglich.