Wi snackt Plattdütsch

Schon der Gruß ist anders bei den Nordlichtern. Mit einem mal gedehnten „Moiiiin“ , einem fröhlichen „Moin, Moin“ oder einem knackig knappen „Moin!“ wird man gegrüßt im Norden, und gegrüßt wird hier zumindest im ländlichen Raum immer noch jeder, der des Weges kommt. Egal ob es nun ein nie zuvor gesehener Urlauber oder der vertraute Nachbar ist.

Eben dieser Feriengast tippt sich gern an die Stirn und sagt sich „die spinnen, die Nordlichter“, wenn er dieses „Moin“ kurz vor der Abendbrotzeit hört.

Dabei hat das Wort „Moin“ gar nichts mit dem Morgen zu tun, denn im Plattdeutschen kommt es von „moi“, und das bedeutet so viel wie gut oder schön. Also ist „Moi“ nichts weiter als eine Abkürzung von „Moien Dach“, oder „Moien Abend“.

Und auch sonst klingt es zwar irgendwie gemütlich an der Küste, für Zugereiste aber doch ziemlich ausländisch, ein wenig wie die skandinavischen Sprachen oder wie das Niederländische. Manches schient dem Englischen näher zu sein als dem Deutschen.

Wer genauer hinhört und schon andere deutsche Küstenregionen kennt, wird feststellen, dass selbst die von der Elbe doch ziemlich weit weg lebenden Mecklenburger erstaunlich ähnlich klingen beim Reden. Alle sprechen sie Plattdeutsch.

Also ist Plattdeutsch so eine Art Küstenkauderwelsch? Ein Dialekt? Bloß nicht, wer das sagt im Norden, wird fortan mit Verachtung gestraft. Der Streit allerdings ist uralt, lange konnte sich die Wissenschaft nicht einigen, ob Plattdeutsch ein Dialekt oder eine Sprache ist.  Das lag hauptsächlich daran, dass den Sprachwissenschaftlern die einheitliche Rechtschreibung fehlte. Auch ordnete man die plattdeutsche Sprache gern als Dialekt ein, weil sie eine ähnliche Funktion hatte, wie andernorts eben Dialekte, sie war die Sprache des Volkes.

Zwar gibt es plattdeutsche Literatur, die schreibt aber jeder Autor, wie er gerade möchte.

Vor einigen Jahren hat man sich nun doch verständigt: Plattdeutsch ist eine Sprache – so eindeutig, dass es in die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen aufgenommen wurde.

Damit wollte man das Plattdeutsche schützen und vor dem Aussterben bewahren. Spätestens als nach dem Zweiten Weltkrieg Radio und Fernsehen die hochdeutsche Sprache tagtäglich in den Alltag der Menschen transportierte, geriet das Plattdeutsche auch auf dem Land immer weiter ins Hintertreffen. Dabei war Plattdeutsch einmal die lingua franca der Hanse. Später jedoch versuchten sich selbst die feinen Hanseaten, die Plattdeutsch Jahrhunderte als Verkehrssprache der Hanse genutzt hatten, nun im Hochdeutschen. Bald war es so weit, dass Eltern sich im Hochdeutschen abmühten, damit die Kinder es in der Schule leichter hatten. Im zwanzigsten Jahrhundert wurde Hochdeutsch mehr und mehr zur Umgangssprache selbst in den kleinen Städten und Dörfern an der Elbe. Dazu kam nach 1945 mit den Millionen Flüchtlingen aus dem Osten ein größerer Anteil an Zuwanderern. Später wurde unsere Gesellschaft immer mobiler. Das brachte es mit sich, dass immer mehr Menschen in der Region lebten, die Platt nicht verstanden. Die Ansicht schien sich durch zu setzten, dass Platt hinterwäldlerisch ist, Hochdeutsch hingegen weltläufig.

Erst im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts setzte ein Umdenken ein und man begann zu erkennen, dass das Plattdeutsche Teil der norddeutschen Identität ist, ein Stück Heimat bedeutet und etwas Beständiges in einer sich immer schneller verändernden Welt ist. Man bekennt sich wieder zu seiner Region und pflegt die alte Sprache um sie wenn schon nicht als Muttersprache, so doch als Zweitsprache zu erhalten.

Es scheint zu gelingen, nicht nur dass es wieder unzählige Kultur- Sprach-, Theater- und Volksliedgruppen sowie Plattdeutsch-Volkshochschulkurse in der Region gibt, auch Radio und Fernsehen senden mittlerweile in Platt. Und weil das Niederdeutsche seit dem 1, Januar 1999 durch die Europäische Charta anerkannte Regionalsprache ist, trifft man die Sprache auch in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens wieder an, es gibt wieder Straßennamen wie „Boben in Dörp“ und man kann das niederdeutsche Platt sogar studieren.

Auch Bücher gibt es wieder reihenweise in Platt, von Asterix und Obelix bis hin zu Harry Potter. Dazu findet man häufig die Aufkleber „Wi snakt Platt“, vielleicht kommt es doch noch einmal so weit, dass es wieder heißt: Drei Sprachen sprechen wir an der Elbe, Hochdeutsch, Plattdeutsch und über andere Leute. Und was ist schöner als ein gemütlicher Klönschnack, in dem man mal so richtig schön över de annern Lüd schludert!

Plattdeutsch ist sehr vielseitig, kann kurz und knapp ausdrücken, was gesagt werden muss und dabei ja kein Wort zu viel benutzen. Sonst könnte  es ja heißen: wat is he bloot sabbelig – wie ist er doch geschwätzig. Und unnötige Worte liebt der wortkarge Norddeutsche nicht.

Dabei kann Plattdeutsch auch so humorig liebevoll klingen, wenn Hinnerk zu seiner Liebsten zärtlich sagt „Mien seuten Schietbüdel“. Ja, das sagt er so, aber nun übersetzen Sie dan mal ins Hochdeutsche: mein süßer Sch…beutel. Was sagt uns das? Es gibt tatsächlich Worte, die im Plattdeutschen eine etwas andere Bedeutung haben als im Hochdeutschen.

Als grobe Regel kann man sagen, dass im Plattdeutschen sich nicht nur alles niedlicher anhört, sondern fast auch immer weniger hart gemeint ist. So wird ein kleines Kind zärtlich Schieter oder Schietbüdel genannt, denn so ein Windelpaket ist ja nun mal ein Schietbüdel. Säugling, das wäre so ein sachlich bürodeutsches Wort, nichts für den Norddeutschen, der mit seiner plattdeutschen Sprache lieber Bilder malt, und jetzt Tittkind sagen würde. Und um den Bogen zur großen weiten Welt zu schlagen: Es ist ja üblich auf Neudeutsch Baby zu seiner Angebeteten zu sagen und nichts anderes drückt der Norddeutsche mit Schietbüdel aus.

Übrigens: will der Elbanwohner sich besonders gewählt ausdrücken, sagt er gar nicht „Moin“, sondern „Goden Dach ok“.

Special: Plattdeutsche Überlebenshilfe

abbeldwatsch  unsinnig, merkwürdig

achtern  hinten

Achtersteven  Heck beim Schiff, Hinterteil beim Menschen

Arftensupp  Erbsensuppe

brägenklöterig  durcheinander, verrückt

brägenklöterige Kauh  die Kuh hat BSE

Buddel  Flasche

Büx  Hose

Deern  Mädchen

Dalben  Pfahl im Wasser zum Festmachen von Schiffen

Döntje  Anekdote

dor teuv man op  da kannst du lange drauf warten

duhn  betrunken

dwars quer

Dwarslöper  „Querläufer“, scherzhaft für Taschenkrebs

Dweiel  Feudel

Farken  Ferkel

Fisk  Fisch

Fleitenpiepen  Pustekuchen

Flunk  Flügel

Fofftein, mok mol fofftein mach mal Pause

Fronslüd  Frauen

fuchtig  frisch

Hol di fuchtig  Bleib gesund, halt dich aufrecht

gediegen, is ja gediegen  ist ja merkwürdig

giv mi `n Seuten  Gib mir einen Kuss

Gör  Kind

Granat  Krabben

Grönhöker Gemüsehändler

Hansmann  Strampelanzug

Höker Kaufman, Händler

Heunerglowen  Aberglaube

inkuhlen  beerdigen

Iesschapp  Kühlschrank

iesern Brägen  Computer

Kark  Kirche

Kiekin  kurzer Besuch

Kiek mol wedder in  komm / kommen Sie bald mal wieder

Kledasch  Kleidung

kleien  im Dreck herum wühlen

klei mi an Mors du kannst mich mal am A …

Klock Uhr

Klock söben  sieben Uhr

Klockachtheuhner  Perlhühner

klönen   sich gemütlich unterhalten

Klönkast  Telefon

Klönschnack gemütliche Unterhaltung

Kloogschnacker, Kloogschieter  Besserwisser

Klüten  Klöße

Knieptang  Kneifzange

Knütten  stricken

Knüttgaarn  (Strick)Wolle

Köksch  Köchin

Köhlschapp  Kühlschrank

Köm  Korn, klarer Schnaps

Krusenkohl  Wirsingkohl

Leileckerland  Schlaraffenland

Loop mi na  Parfüm

Lütt klein  bi lütten  langsam, allmählich

Macker  Freund, Kumpel

mall  verrückt  büss woll mall! Du bist wohl verrückt

Mannslüd  Männer

Melk  Milch

Mien  Oll  mein Mann, mien Ollsch  meine Frau

Moin, Moin Moin  Guten Tag!

Mors  Hinterteil

Muck Kaffee ein Becher Kaffee

Muster  Senf

Naber  Nachbar

Nokieksel  Lexikon

Quiddje  Fremder, Tourist

Peerd  Pferd

Plietsch  schlau

Proppentrecker  Korkenzieher

Putzbüdel  Frisör

Pütz  Eimer

Rundstück  Brötchen

Schapp  Schrank, Schrankfach

Schieter, Schietbüdel  Kosewort für Kinder und die Liebste

schludern, sludern  über andere Leute Reden

schnacken reden

slusohrig  hinterlistig

Steert  Schwanz

Steertrock  Frack

suer oder seuer, he licht in suer  er liegt in Sauer, er hat einen Kater

Swienegel  Schmutzfink

togang (sin)  dabei sein, gerade machen

Treckpott  Teekanne

tüdelig  umständlich, verwirrt

Tüünsupp  Fliederbeersuppe

Udel Polizist

utbüxen  weglaufen

wahrschauen  warnen  Wahrschau!  Achtung

verkloogfiedeln  erklären

viegelinsch  schwierig, heikel

Wuling  Durcheinander

Zippel  Zwiebel

Zippeltine  Heulsuse

 

 

Wer für alle Fälle gerüstet sein will, besorgt sich ein kleines Wörterbuch, das in jede Jackentasche passt, dann kann garantiert nichts mehr schief gehen:

 

Langenscheidt Lilliput Plattdeutsch, München 2000, ISBN 3-468-20037-4