Nordlichter, Fischköpfe, oder doch eine Liebeserklärung?

Nordlichter, oder Fischköpfe, wie manche uns Küstenbewohner nennen, sind ganz gewiss ein besonderer Menschenschlag. Nein nicht so wie man denkt. Bei mir ist kein Arm zu kurz, weil ich immer am Deich entlang laufe, die Dithmarscher spielen nicht mit Kohlköpfen Fußball,wir gehen auch nicht vorgebeugt, weil wir uns immer wieder gegen den Wind lehnen müssen und wir essen auch keinen Fisch zum Frühstück. Trinkfest nennt man uns, stur und arbeitsscheu. Also Letzteres bestreite ich energisch, Ersteres lasse ich gelten – deshalb tat ich mich persönlich auch in Polen so leicht.

Ja und stur? Wer sein Land seit Generationen gegen Sturmfluten verteidigt und partout nicht weichen will mag als stur bezeichnet werden, ich nenne das eher standhaft. Zweimal habe ich in meinem Leben große Fluten erlebt und wohne heute in meiner kleinen Stadt nur einen Steinwurf entfernt von der Stelle, an der 1962 der Schwingedeich brach und ein junger Soldat starb. Bei der nächsten großen Flut war ich dann selbst mit der DLRG im Einsatz. Das hat mir schon in jungen Jahren höchsten Respekt abgenötigt vor den Menschen, die den Mund abputzten, den Schlamm aus dem Haus schippten, die Trümmer wegräumten, die Deichlücken schlossen und alles wieder aufbauten.

Ich kann die Menschen verstehen, die nicht gewichen sind. Spötter sagen ja, dass man bei uns schon am Mittwoch sehen kann, dass Tante Frieda am Sonntag zum Kaffee kommt. Kann man. So bretteben ist das Land. Es ist das ganz besondere Licht, dass man hier hat, der weite, hohe Himmel mit den über das Blau jagenden strahlend weißen Wolkengebirgen. Hier hat man freie Sicht bis zum Horizont – doch, hier sieht man den Horizont, nichts engt den Blick ein. Und das Schöne ist: Ich muss den Kopf nicht in den Nacken legen, um den Himmel zu sehen, ich habe ihn immer im Blick. Dann ist da noch der Wind. Er pustet einem zu jeder Jahreszeit den Kopf so richtig schön frei – Hamburgs Kreativszene lebt an den freien Tagen zwischen Elbe und Weser und nicht in der Toskana.

Und dann das Wasser, mal wild ans Ufer rauschend mit tobenden Brechern, die die Elbe nur wenig weiter nördlich eher wie eine Meeresbucht wirken lassen, als einen Fluss und mal schlapp an den Strand plätschernd. Ja, wir haben hier richtige Strände, und ausgesprochenen Bedebetrieb.

Und wir haben Salz- und Süßwasserwatten – einmalige Lebensräume, um die man sich lange Zeit weniger Gedanken gemacht hat, als um den fernen Regenwald. Dabei sind auf einem Quadratmeter Watt Millionen von Lebewesen angesiedelt. Dazu ist es Rückzugsgebiet und Kinderstube für viele Tiere vom Vogel bis zur Robbe und wird nun endlich als UNESCO-Weltkulturerbe geschützt.

Was Watt eigentlich ist? Watt ist da, wo man manche in der Nordsee liegenden Inseln wie Neuwerk alle paar Stunden, bei Ebbe, zu Fuß erreichen kann. Es ist der Meeresgrund, der bei Niedrigwasser trocken fällt.

Das Menschen, die hier leben anders sind als Berliner, Bayern, Schweizer oder Ägypter ist doch eigentlich klar. Zugegeben, die Menschen sind hier Zugereisten gegenüber zuerst freundlich, aber reserviert, Motto: Wie pett us Heuner sölben – wir treten unsere Hühner selbst. Zugereiste sind hier übrigens schon Hamburger. Aber wer zeigt, dass er sich interessiert und mitmachen will, ist willkommen. Nur mit der Sprache hapert es oft etwas. Im ländlicheren Gebiet schnackt man Platt – man redet Plattdeutsch. Und in diesem Fall ist schon meine kleine Stadt ländlich.

Bitte nie den tödlichen Fehler machen und Platt als einen Dialekt zu bezeichnen. Plattdeutsch ist eine Sprache! Darauf ist man stolz im Norden. So’n büschen Platt  kann ja nicht schaden, dann wird es gleich gemütlich bei den Nordlichtern …